RM_Arne Schulz 1,2,3

Messner Mountain Movie

Filme von und über Messner

Reinhold Messner ist ein Geschichtenerzähler. Seine Filme sind nicht darauf ausgelegt Ratschläge zu erteilen oder Moral zu predigen. Sie zeigen wie der Mensch reagiert, wenn er in die wilde Natur hinausgeht und sich exponiert. Dort ist er eine winzig kleine Nebenerscheinung, die Hauptrolle spielt der Berg.

True Stories: Das Wechselspiel zwischen Spiel- und Dokumentarfilm

Meine Prämisse als Storyteller heißt: Erlebte Geschichten sind stärker als ausgedachte. Ganz einfach, weil die Fiktion emotional nicht an die Realität heranreicht. Vor allem dann, wenn die erzählte Geschichte nicht in unserer urbanen Welt spielt sondern draußen in der sogenannten Wildnis. In unserer unübersichtlichen globalisierten Welt aber gibt eine Tatsachengeschichte nur Halt, wenn sie möglichst viel von der realen Welt abbildet.

Natürlich zeigt eine erzählte Geschichte, wie viele Tatsachen ich mir auch immer dafür ausleihe, meine Wahrnehmung der Welt und nicht die Wahrheit. Die Wahrheit gibt es auf der Leinwand so wenig wie Gut und Böse, die Kunst besteht darin, starke Emotionen zu schaffen, die Zuschauer Teil der erzählten Story werden zu lassen. Es gilt also, Tatsache und Kunst zusammenzuführen.

Warum aber ist es so schwierig, einen authentischen Bergfilm zu machen? Tausende von gedrehten Filmmetern lehrten mich, dass man anfangs frei sein muss - von Produzenten, Zuschauern, auch Stoff -, Vorgaben und Verträge sind die schlimmsten Feinde des Films. Ein Kameramann, Ton und es gilt zu drehen. Mit drei, vier Leuten vor der Kamera und abseits des Rummels! Nie auf der asphaltierten Straße, immer am Feldweg oder in der Wand. Auch sollte die Kamera nicht versuchen, schlauer zu sein als Wolken, Nebel und Sonnenlicht. Es gibt nur eine Regel für die Kamera: "Lass einfach alles auf dich zukommen und mach keine Mätzchen: Richte die Kamera auf das Motiv und dann beweg sie so wenig wie möglich, fang nicht an zu zoomen und Schwenks zu machen, denn wenn du kein wirklich guter Kletterer oder Abenteurer bist, kommt nicht viel dabei heraus. Wer am Berg in Versuchung gerät, schlau sein zu wollen, versäumt die Stimmung vor Ort!"

Es ist wie beim Bergsteigen, diese Mischung aus Hochgefühl und Beklommenheit, die aufkommt und die es beim Abenteuer einzufangen gilt.

Und beides gibt es nur draußen, abseits aller Studios, jeder Berechenbarkeit: Zuerst das Hochgefühl, dass es los geht, dann die Plackerei und der ständig zunehmende Druck, wenn einem allmählich dämmert, wie leicht man von einer Lawine weggefegt, in eine Gletcherspalte stürzen oder von Sèracs erchlagen werden kann. Wenn man Glück hat, geht alles gut, doch die Anspannung bleibt, sie ist immer vorhanden und steigt  bei jedem einzelnen Akteur - vor, hinter oder neben der Kamera - immer weiter an. Sobald der Gipfel erreicht oder der Beschluss zur Umkehr gefasst ist, fällt das unsichtbare Gewicht der Sospance ab, alles verändert sich. Selten nur hat ein professionelles Filmteam etwas davon eingefangen, denn für die Studio-Filmleute ist draußen alles neu, auch wissen sie meist nicht genau, was sie suchen. Sie filmen einfach, was sie sehen, aber das, was sie sehen, ist nicht identisch mit dem, was wir Abenteurer empfinden. Nur Empfindungen aber haben am Ende die Kraft, die Bilder auf der Leinwand wahr erscheinen zu lassen.

Dabei ist es nicht wichtig, dass alles, was auf der Leinwand zu sehen ist, nachweislich genau so passiert ist. Die Eckdaten müssen stimmen und die Emotionen. In ihnen nur versteckt sich im Kern Wahrheit und Nachhaltigkeit.

Fiktionen schaffen eine andere Wirklichkeit, meist aber sind sie zu weit von allem Faktischen entfernt. Das Staunen im Kino bleibt kein nachhaltiges, es vergeht sofort. Meine ersten beiden Regiearbeiten - "Still Alive" und "Der Heilige Berg" - haben mich gelehrt, dass die Dreharbeiten nie einem strikten Dehbuch folgen können. Denn etwa ein Drittel der geplanten Szenen sind nicht oder nur zum Teil einfangbar. Wetter, Gefahren und Wildnis führen mit Regie! Umgekehrt gilt: Ein Drittel der Emotionen, die uns am Ende die Geschichte erzählen, werden uns während der Dreharbeiten geschenkt: eine besondere Lichtstimmung, der Fehltritt vor laufender Kamera, zwei Einheimische am Wegrand. Also habe ich gelernt, "meinen Fim im Kopf" dauernd umzubauen, so dass am Ende aus dem Abenteuer der Produktion mit der erzählten Geschichte die "True Story" wird.

Gedanken

„Mir geht es um den Dialog, um gemeinsame Geschichten, um das kulturelle Erbe des Alpinismus. Ich übernehme damit eine Mittlerrolle zwischen dem breiten Publikum und den Bergen. Der Alleingänger mutiert zum Medium.“

Reinhold Messner